Wettkampf – oder eher Spagattraining? 🙂
Am Samstag, dem 05.10.2024 fand das erste Oberaudorf Trailfestival statt. Mehr Infos unter https://www.oberaudorftrailfestival.com!
Die Woche war wieder spannend. Mein Ruhepuls war erstaunlich hoch. Ich fragte mich, ob ich mir vielleicht einen Infekt von den Kindern eingefangen habe oder ob es Corona vom Oktoberfest sein könnte. Letztendlich weiß man es nicht genau. Meine Gedanken kreisten ständig um diese Fragen, aber was soll schon passieren? Entweder ich kann laufen oder ich kann es nicht. Ein DNS wäre kein Weltuntergang. Außerdem sind es meine Hometrails, also könnte ich jederzeit umkehren oder nach Hause gehen.
Drei Tage vorher bin ich noch einen kleinen Testlauf gelaufen und die Beine waren unglaublich schwer und generell war das Laufen sehr träge. Doch jeglicher Corona Test war bis dato negativ und bis auf meinen erhöhten Puls gab es auch keine weiteren Symptome.
Ich wusste, dass dieses Laufjahr hart werden würde und es eine große Herausforderung sein würde, einen Trailmarathon durchzuziehen. Immer wieder kamen unerwartete Dinge dazwischen, sei es durch Familie oder Arbeit. Das machte das Training schwieriger, und dann kamen noch meine eigenen Unzulänglichkeiten dazu: Ich stürzte, meine Sprunggelenke machten ständig Probleme, oder ich blieb irgendwo hängen. Irgendwie war immer etwas!
In der Vorbereitung bin ich, glaube ich, nicht mehr als drei Mal „länger“ gelaufen, jedes Mal für etwa 2,5 bis 3 Stunden mit maximal 20 bis 24 Kilometern. Ansonsten habe ich nur kürzere Läufe in der Mittagspause gemacht. Zwar habe ich viele Höhenmeter in mein Training eingebaut, aber die langen Grundausdauerläufe fehlten einfach. Ich bin weit entfernt von meiner Form aus dem Jahr 2023. Das ist zwar nicht schlimm, aber die Frage bleibt: Bin ich wirklich bereit, einen Marathon zu laufen?
Ich wollte es mir mal wieder einfach selbst beweisen. Aus dem Stand einen Marathon laufen. Einmal im Jahr muss dies doch möglich sein! Gelitten habe ich doch bereits oft auf den Trails, wieso nicht wieder 😉 Leider wurde kurzfristig, aufgrund des Wetters, die Strecke angepasst, doch anspruchsvoll wird es so oder so. Die Kilometer blieben gleich 😉 Die Vorgabe der Pflichtausrüstung änderte sich dadurch auch: lange Kleidung und Mütze einpacken.
Ich fuhr in der früh, gegen acht Uhr mit dem Zug nach Oberaudorf. Knapp 800 m bis zum Start – leichter Nieselregen. Na prima. Es ist frisch, dunkel und nass. Nach einer kurzen Aufwärmphase und einigen bekannten Gesichtern Hallo sagen, ging ich früh in den Startbereich herein. Machte mich etwas warm und beobachte die Mitstreiter.
Um 9:00 Uhr ging es los. Die Stimmung war gut, der Regen legte eine kurze Pause ein und Startschuss. Mit flotten Tempo ging es über den Asphalt in den ersten Trailabschnitt. Es lief gut, der Puls war normal, also lasse ich mal alles auf mich zukommen. Doch direkt nach dem Start ist ein möglicher DNF komplett verflogen! Nach den ersten Kilometern ging der erste Matsch auf den Singletrails los, ich nahm Tempo raus. Safety first. So lies ich ein paar Läufer an mir vorbeiziehen und genoss erstmal, dass es sich generell gut anfühlte. Sowohl die Atmung, als auch alle Muskeln.
Es kam der erste richtige Anstieg. Mit knöcheltiefem Matsch. Ich unterhielte mich mit einer jungen Läuferin und sie fragte ob alles bei mir n Ordnung sei! ich antwortete, dass ich lediglich langsam mache, da ich keine Lust habe mir eine Verletzung einzufangen. Ich will einfach klug und sicher ins Ziel kommen. Nicht mehr und nicht weniger. Doch freute es mich, dass es fürsorgliche Mitstreiter gibt!
Und so gingen die weiteren Kilometer locker von den Beinen. Die feuchten Holzbrücken waren jedoch spannend, denn da zog es einem die Füße weg. Spagatübung Nummer 1. Auf dem Schlamm zog es ebenfalls einem die Füße weg (und weitere Dehnungen der Bein-/Hüftmuskulatur), da sich das ganze Profil der Schuhe bereits mit Matsch füllte. Der Grip war einfach nicht mehr da. Und oben, am Fuchsstein, angekommen war etwas Nebel, viel Feuchtigkeit und es war wirklich frisch und kühl.
Am Parkplatz Tatzelwurm wurde ich von ein paar vereinzelten Personen angefeuert – danke dafür! Von dort ging es weiter ins Sudelfeld. Der Weg dorthin war wieder einmal feucht, matschig und rutschig. Mittlerweile war es mir egal, denn meine Socken und Schuhe waren längst durchnässt. Während ich lief, fragte ich mich die ganze Zeit, ob ein Schuh mit tieferem Profil vielleicht die bessere Wahl gewesen wäre … aber nun war es sowieso zu spät, um das noch zu ändern.
Was wirklich gut funktionierte, war meine Ernährung während des Rennens. Schon vor dem Start nahm ich ein erstes Gel, und während des Laufs hatte ich eine Flask mit Wasser und eine mit Elektrolyten dabei. Etwa alle 45 bis 60 Minuten gönnte ich mir ein weiteres Gel. An der ersten Verpflegungsstation kamen dann Brühe und Bananen hinzu, und bei der zweiten gab es zusätzlich Brühe, Banane (mit einem Koffein-Gel), Salz, Gurken und Nüsse. Einzig, was ich mir etwas vorwerfen könnte, ist, dass ich bei dem kühlen Wetter zu wenig getrunken habe. Das lag aber daran, dass ich das bei Temperaturen unter 20 Grad auch im Training oft so handhabe und damit bisher gut zurechtkam.
Im Sudelfeld führte die Strecke in einer Schleife an der ersten Verpflegungsstation bei der Brösel Alm vorbei, bevor es zurück Richtung Tatzelwurm-Wasserfälle und zum Parkplatz ging. Etwa bei Kilometer 19 traf ich erneut auf die junge Läuferin, die ich schon beim ersten Anstieg gesehen hatte. Sie war aufgelöst und ging langsam voran. Dieses Mal fragte ich, ob alles in Ordnung sei, doch sie antwortete lediglich, dass sie aus dem Rennen aussteigen müsse, aber keine weitere Hilfe benötige. Ich versprach ihr, Bescheid zu geben, und informierte die Bergwacht, die jedoch bereits in Kenntnis gesetzt worden war.
Für mich ging es anschließend wieder bergauf – über den Fuchsstein, vorbei an der Längau Alm, und schließlich zurück nach Buchau. Die Nebeldecke hielt sich hartnäckig, und es blieb kühl. Nun war etwa die Hälfte des Rennens geschafft, und ich war ziemlich zufrieden mit meiner Zeit: den Halbmarathon hatte ich in knapp 2 Stunden und 20 Minuten bewältigt, bei 1.050 positiven Höhenmetern. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet, besonders da es mir in der Woche zuvor nicht besonders gut ging und mein Training eher eingeschränkt war. Doch die Frage war nun: Wie würde mein Körper auf die zweite Hälfte des Rennens reagieren?
Von Buchau aus ging es nun rechts ab Richtung Brünnsteinhaus, über den Wildgrub. Diese Passage hat es wirklich in sich: steile Anstiege, Felsen und Baumstämme auf dem Weg, und natürlich jede Menge Schlamm. Die Bedingungen machten es besonders herausfordernd, da es an manchen Stellen einfach an Grip fehlte, um richtig voranzukommen. Langsam schwand auch meine Energie, sodass ich öfter mal Platz machte, um mein eigenes Tempo beizubehalten. Obwohl ich den Anstieg kannte, zog er sich endlos hin. Umso erleichterter war ich, als ich schließlich oben ankam, und gönnte mir an der Verpflegungsstation eine ausgiebige Pause. Ich plauderte, machte ein paar Scherze und nahm mir reichlich Zeit für Essen und eine warme Suppe. Oben war es inzwischen richtig kalt, aber für die paar Meter wollte ich mir keine Jacke überziehen. 😉
Nach der Verpflegung fühlte ich mich überraschenderweise kraftlos, selbst auf den fast flachen Abschnitten. Ich konnte mir nicht erklären, warum das so war (evtl. die Kälte?), aber sobald es wieder bergab ging, kam die Energie zurück. Allerdings musste ich vorsichtig sein, denn der Weg war extrem rutschig. Respekt an die Läuferin die an mir förmlich vorbeiflog, das traute ich mir in der Geschwindigkeit definitiv an diesem Tag nicht zu. Direkt hinter mir (15m Luftlinie) stürzte ein Läufer und fiel hart auf sein Knie. Wir unterhielten uns eine Weile, während die anderen einfach an ihm vorbeirannten. Warum blieb niemand stehen, schließlich waren sie auf gleicher Höhe…? Viel konnte ich ihm jedoch nicht helfen, aber ich versprach, an der nächsten Bergwachtstation Bescheid zu geben.
Richtung Naturfreundehaus ging es weiter bergab, und auch hier sah ich einen Läufer, der Probleme hatte. Als ich nachfragte, erzählte er mir, dass er sich die Bänder gerissen hatte. Sein Knöchel war dreimal so dick wie normal. Ich bot ihm meine Bandage oder Ibuprofen an, um ihm zumindest ein wenig zu helfen. Zumindest die Ibu nahm er dankend an und meinte nur: „Mach dir deine Zeit bitte nicht kaputt.“ Aber das war mir völlig egal. Darum geht es mir heute nicht, bzw. nie, wenn ich merke jemand hat Schmerzen. Er hatte bereits 40 Kilometer hinter sich und noch 15 vor sich – und wollte es unbedingt zu Ende bringen. Ich konnte mir das kaum vorstellen, vor allem nicht nach meinem eigenen Bänderriss vor drei Jahren. Erstaunlicherweise bot nur ein weiterer Läufer, der an uns vorbeikam, ebenfalls eine Schmerztablette an. Nachdem ich sicher war, dass er klarkommt, setzte ich meinen Lauf fort. Kurz darauf kam mir die Bergwacht entgegen, und ich berichtete von beiden Vorfällen. Aufgrund des Funklochs war der eine Unfall noch gar nicht bekannt. Ein großes Dankeschön an die Bergwacht, die bei Wind und Wetter an der Strecke unterwegs war und ihre Freizeit für uns opferte! Wirklich stark, danke!
Am Naturfreundehaus konnte ich endlich kurz durchatmen und auf flachem Terrain laufen. Ich genoss diese Kilometer und fühlte mich richtig gut. Jetzt wusste ich: Ich komme definitiv ins Ziel, ohne Zweifel. Mit neuer Energie überholte ich ein paar Läufer und machte mich auf den Weg zum finalen Anstieg Richtung Schwarzenberg. Dort traf ich auf einen Läufer aus dem Harz, und seine Gesellschaft war eine echte Unterstützung. Wir waren beide völlig platt, die Beine schwer, aber durch das gemeinsame Gespräch verging die Zeit schneller, und wir erreichten schließlich den Gipfel. Danke nochmal dafür!
Der Abstieg war glücklicherweise nicht so rutschig, wie ich befürchtet hatte, und letztendlich ging es über Schotterwege vom Hocheck hinunter Richtung Oberaudorf. Diese Serpentinen bin ich schon oft gelaufen, also ließ ich es einfach laufen und nahm genau das Tempo, bei dem ich kurz vor der Krampfgrenze war. Ein falscher Schritt, und es hätte sicher einen Krampf gegeben, aber alles lief perfekt. Ich fühlte mich beflügelt, denn ich wusste: Es ist nicht mehr weit bis ins Ziel.
Auf der flachen Strecke konnte ich dann das Tempo anziehen und wollte nur noch in das verdammte Ziel rein. Also los gehts Timo – reiß dich zusammen und geb Gas!
Auf der Zielgeraden holte ich noch die Läuferin vor mir ein, aber einen Meter vor dem Ziel wurde ich langsamer. An diesem Tag ging es mir nicht um den letzten Sprint, sondern darum, den Spaß und den Spirit der Trail-Community zu genießen. Also ließ ich sie lächelnd vor mir ins Ziel huschen.
GESCHAFFT! DONE! ÜBERGLÜCKLICH! – Es ist vollbracht. Ich habe es geschafft! Trotz nicht optimalem Training und gesundheitlich angeschlagenem Zustand, aber mit dem festen Willen, es durchzuziehen. Und das Beste: ohne eine erneute Verletzung! 😉
Und danke an Salty Running für ein geiles Event. Endlich bewegt sich auch hier in der Region was und wir alle hoffen, dass dieses Rennen sich auf Jahre etabliert! Wir sehen uns 2025 (in besserer Form) und natürlich ohne Nebel!